Elektroaktive Polymere (EAP), häufig auch „künstliche Muskeln“ genannt, sind meist im Labor hergestellte polymere Mehrschichtsysteme, die beim Anlegen kleinster elektrischer Spannungen ihre Form verändern können bzw. eine mechanische Bewegung ausführen.
In der Abteilung Funktionale Materialien am Fraunhofer IPA wird an ionischen EAPs geforscht, deren Wirkungsmechanismus auf elektrochemischen Prozessen in den Elektrodenschichten beruht. Die Bewegung kommt durch frei bewegliche Ionen zustande, die in die Schichten hinein diffundieren und dadurch zu einer Volumenänderung in den Elektroden führen. Als jüngster Vertreter unter den ionischen EAPs weisen CNT-basierte Polymeraktoren einige vorteilhafte Eigenschaften auf, wie z.B. eine gute Kraftübertragung mit relativ großen Auslenkungen, Funktionsfähigkeit in Luft, eine integrierte Sensorfunktionalität, und eine vergleichsweise einfache Herstellungstechnik. Das IPA forscht an umweltfreundlichen und kosteneffizienten Materialzusammensetzungen, schnellen und skalierbaren Fertigungsmethoden und anwendungsspezifischen Integrationsmöglichkeiten für solche CNT-Aktoren.
Aufgrund ihrer materialintrinsischen und absolut geräuschfreien Auslenkungen und ihrer Flexibilität sind sie prädestiniert für den Einsatz in kleinen am Körper getragenen Computern (Wearables), in der Soft-Robotik sowie in formveränderlichen Oberflächen und anderen technischen Anwendungen, bei denen kleine, leichte und flexible Stellglieder benötigt werden.
Im Kollaborationsprojekt »Fraunhofer Project Center for Electroactive Polymers«, FPC, in Zusammenarbeit mit dem japanischen Forschungsinstitut AIST Kansai wurde in den Jahren 2014 bis 2017 ein enger wissenschaftlicher Austausch und gemeinsame Forschung an EAP-Aktoren betrieben. Hauptziel war die Entwicklung einer mit EAPs betriebenen Mikropipette für Mikrodosierungsanwendungen, wobei auf Seiten des Fraunhofer IPA simulationsgestützte Optimierungsprozesse für die Aktorgeometrie sowie elektrische Kontaktierungsmethoden für die Aktorintegration den Schwerpunkt bildeten.
Projektpartner/ Förderer:
Fraunhofer-Gesellschaft e.V.
EAPs bringen aufgrund ihrer Flexibilität und ihres leichten Gewichts viele neue Anwendungsmöglichkeiten mit sich. Im Sonderforschungsbereich 1244 wurde eine adaptive textile Membrankonstruktion mit schaltbarer Atmungsaktivität aufgebaut, die für ultraleichte Gebäudehüllen eingesetzt werden kann. Kleine Klappen und Schlitze in der Membran werden bei Bedarf durch integrierte EAP-Aktoren geöffnet und wieder geschlossen und ermöglicht so einen kontrollierten Luftaustausch im Gebäude. Das System kommt ohne komplexe, schwere und raumeinnehmende Mechanik aus. Dieses Projekt stellte den weltweit ersten experimentellen Ansatz dar, die Technologie ionischer EAP-Aktoren in einer gebäudebezogenen Anwendung einzusetzen und zu testen.
Projektpartner/ Förderer:
Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG
Damit EAPs für vielfältige technische Aufgabenstellungen verwendet werden können, ist eine Überführung der bislang manuellen Fertigungstechniken weg vom Labormaßstab und hin zu großindustriellen Produktionsprozessen unabdingbar. Am IPA werden automatisierbare Druckverfahren wie das mehrlagige Schlitzdüsenbeschichten oder die Siebdrucktechnologie umfangreich getestet, wodurch großflächige Elektrodenschichten in deutlich kürzerer Zeit und mit verbesserter Schichtdickenhomogenität hergestellt werden können. Dadurch werden die Leistungseigenschaften der Aktoren reproduzierbarer und die Ausschussrate kleiner.
EAP-Aktoren liegen nach dem Zusammenbau noch in ihrer natürlichen Form vor. Die Oberflächen ihrer Elektroden sind der Umgebungsluft und der darin enthaltenen Luftfeuchtigkeit direkt ausgesetzt. Eine Verkapselung ist aus folgenden Gründen sinnvoll:
a) für eine starke und anti-abrasive Schutzschicht gegen mechanische und chemische Einwirkungen von außen,
b) zum Schutz der komplexen elektrochemischen Prozesse im inneren der Aktorschichten vor Luftfeuchtigkeit
c) zur elektrischen Isolierung.
Die EAP-Verkapselung wird am Fraunhofer IPA durch einen eigens entwickelten Dip-Coating-Prozess erzielt, bei dem der gesamte Aktor bis auf die elektrischen Kontaktflächen in eine Lösung mit dem thermoplastischen Fluorkunststoff PVDF eingetaucht und anschließend luftgetrocknet wird.
PVDF wurde hauptsächlich aufgrund seiner hydrophoben und chemikalienbeständigen Eigenschaften gewählt, aber auch, weil dieses resistente Material für die Polymermatrix aller drei Aktorschichten verwendet wird. So wird die Wahrscheinlichkeit einer Delaminierung der Schutzschicht während der Betriebsphase durch die starken Cohäsionskräfte verringert.
Mit Hilfe von Simulationstechniken können viele relevante Material- und Leistungsparameter ermittelt und unter realen Bedingungen untersucht werden, ohne dass große Testreihen durchgeführt oder mehrere Prototypen gebaut werden müssen. Das Hauptziel für den Einsatz von Simulationstechniken im Bereich EAP ist die Vorhersage des Betätigungsverhaltens verschiedener Aktuatorgeometrien, um Formen für individuelle Anwendungen zu optimieren und den Betätigungsmechanismus durch mechanische Hebeleffekte zu verbessern. Der Aktuatormechanismus von CNT-Aktoren basiert jedoch auf einem sehr komplexen Zusammenspiel mehrerer chemischer und quantenphysikalischer Effekte (quantenchemisch basierte Ausdehnung durch elektrochemische Doppelschichtladung).
Ein Ansatz zur Modellierung der Betätigungseigenschaften der verwendeten CNT-Aktoren besteht darin, experimentelle Daten mit der Theorie gängiger linear-elastischer Modelle abzugleichen. Mit Hilfe einer Parameterkorrelation werden vorhandene oder leicht zu beschaffende Messdaten über Spannungs-/Weg- und Kraftverhältnisse von CNT-Aktoren in einen für Simulationsumgebungen nutzbaren Satz von virtuellen Materialparametern übertragen.
Die Ansteuerung des Elektrodenmaterials wird durch eine virtuelle thermische Last initiiert, die auf alle Teile des Dreischichtaktors in einer Simulationsbaugruppe aufgebracht wird. Die thermische Belastung bewirkt, dass sich die Elektroden ausdehnen bzw. schrumpfen. Die untere Elektrode wird mit einem negativen thermischen Ausdehnungskoeffizienten modelliert, die obere Elektrode wird mit einer positiven thermischen Ausdehnung belegt.
Gast: Ivica Kolaric, Abteilungsleiter Funktionale Materialien und Geschäftsfeldleiter Prozessindustrie
Elektroaktive Polymere (EAP), häufig auch »künstliche Muskeln« genannt, sind meist im Labor hergestellte polymere Mehrschichtsysteme, die beim Anlegen kleinster elektrischer Spannungen ihre Form verändern können bzw. eine mechanische Bewegung ausführen. In der Abteilung Funktionale Materialien wird an ionischen EAPs geforscht, deren Wirkungsmechanismus auf elektrochemischen Prozessen in den Elektrodenschichten beruht. Ivica Kolaric berichtet über Anwendungsfälle in der Softrobotik, Handhabungstechnik und von textilen Gebäudehüllen.