#5 CARA – Vier Schritte zum sicheren Cobot-Einsatz
Risikobeurteilungen für Anwendungen, bei denen der Roboter nicht vollständig eingehaust ist, sind noch immer aufwendig, wenig intuitiv und somit eine Hürde für viele Unternehmen. Die Software CARA – das Computer-Aided Risk Assessment – unterstützt Unternehmen hierbei gezielt und macht die Risikobeurteilung leichter und schneller.
Risikobeurteilungen für Cobots sind in der Regel deutlich aufwendiger als für Industrieroboter, die sich vollständig hinter einem Zaun befinden. Da in einem kollaborativen Szenario die Interaktion zwischen Mensch und Roboter erwünscht ist, ergeben sich deutlich mehr potenzielle Gefährdungen für den Menschen und sowohl die Bewegungen des Roboters als auch des Menschen sind hier zu berücksichtigen. In der Risikobeurteilung müssen also deutlich mehr potenzielle Gefährdungen benannt, nach ihrem Risiko eingeschätzt und sofern möglich minimiert werden.
Die Software CARA unterstützt Unternehmen bei genau diesem Vorgehen. Grundlage und Voraussetzung für CARA ist ein 3D-Layout der Roboterzelle und des Arbeitsprozesses. Diese können beispielsweise aus Visual Components übernommen werden, für die die Sicherheitsexperten des Fraunhofer IPA ein Plugin erstellt haben. CARA unterstützt nun in vier Schritten.
Schritt 1: Mögliche Gefährdungen identifizieren
CARA identifiziert mögliche mechanische Gefährdungen wie Klemmen, Quetschen oder Kollisionen, indem es analysiert, wie weit der Mensch in die Roboterzelle hineingreifen kann und wo Roboter und Mensch sich berühren könnten. Das Programm prüft automatisch alle Bereiche, die der Mensch erreichen kann, hinsichtlich dieser möglichen Gefährdungen.
Schritt 2: Risiken durch Kollisionskräfte einschätzen
Im Fall eines möglichen Kontakts zwischen Mensch und Roboter gibt CARA eine Einschätzung dafür aus, wie häufig, wahrscheinlich oder auch schwer eine theoretisch mögliche Verletzung wäre. Dies gibt Unternehmen Hilfestellung bei der Frage, wie dringend sie tatsächlich eine bestimmte Absicherung vornehmen müssen. Dabei werden die Grenzwerte der ISO TS 15066 berücksichtigt, die zulässige Kollisionskräfte vorgibt.
Schritt 3: Schutzmaßnahmen bereitstellen
Dort, wo eine Berührung zwischen Mensch und Roboter unzulässig ist, ermöglicht CARA das Einfügen passender Schutzmaßnahmen wie Zäune, Laserscanner, Radarsensoren oder Lichtgitter. Dabei werden Sicherheitsabstände entsprechend der Norm ISO 13855 vorgeschlagen. Die Software visualisiert auch, welche Bereiche durch die Schutzmaßnahme abgesichert werden, sodass die Wirksamkeit leicht überprüfbar ist.
Schritt 4: Die Risikominderung prüfen
Schließlich können die Nutzer dann die überarbeitete Anwendung noch einmal simulativ durchspielen und prüfen, inwieweit das System dank der vorgeschlagenen Maßnahmen nun ausreichend abgesichert ist und wirklich alle Gefahren so weit als möglich verschwunden sind. Bei Bedarf kann hier also iterativ vorgegangen werden. Auch der Vergleich verschiedener Sicherheitskonzepte ist möglich. Hierfür können Aspekte wie die Zugänglichkeit der Zelle oder die Wirtschaftlichkeit der Anwendung berücksichtigt werden. Auch lassen sich die erreichbaren Taktzeiten der Roboteranwendungen berechnen und mit anderen Lösungsansätzen vergleichen.
CARA dokumentiert die ermittelten Gefährdungen und Maßnahmen zur Risikominderung. Zudem kann das in CARA bearbeitete sicherere Zellenlayout auch wieder zurück in Visual Components gespielt werden. So ergibt sich eine schnellere, übersichtlichere, intuitivere und weniger fehleranfällige Risikobeurteilung. Kunden bescheinigen den Forschern eine Zeitersparnis von 54 Prozent für die Bewertung einer Cobot-Zelle.
CARA als Herzstück für Safety-Services
CARA ist nicht das einzige Angebot des Fraunhofer IPA rund um sichere Roboteranwendungen. So hat das Safety-Team auch einen Prüfstand entwickelt, mithilfe dessen Kollisionskräfte verschiedener Roboter und unter unterschiedlichen Bedingungen ermittelt werden können, beispielsweise mit verschiedenen Geschwindigkeiten, Posen des Roboters oder Geometrie der kollidierenden Teile. Diese Daten wiederum fließen dann in CARA ein. Der Prüfstand steht im Rahmen von Projekten auch Unternehmen zur Verfügung. Diese können einen häufig genutzten Roboter einmalig vermessen lassen, um später für diesen Roboter bereits zum Beginn einer Projektierung Abschätzungen zu erreichbaren KPIs machen zu können.
Zudem gibt es die Entwicklung »Robo-Dashcam«, die ebenfalls mit CARA verknüpft ist: Hierbei erfasst eine Kamera datenschutzkonform sicherheitsrelevante Daten und Personen, während die Roboterzelle bereits in Betrieb ist. Das kann auch über längere Zeiträume wie Wochen erfolgen, um statistisch belastbares Material zu erhalten. Basierend auf diesen Daten, die in CARA eingespielt werden können, lassen sich Optimierungspotenziale beim Sicherheitskonzept ermitteln, um die Performance bzw. Taktzeit der Anwendung zu steigern. Bis zu zehn Prozent mehr Produktivität können so beispielsweise erreicht werden. In Zukunft sollen weitere hilfreiche Tools an CARA andocken.
Vielfältiges Angebot
In die genannten Entwicklungen sind die Erfahrungen aus mehr als 15 Jahren rund um die funktionale Sicherheit eingeflossen. Zudem sind mehrere Mitarbeiter in internationalen Normungsgremien der ISO aktiv, sodass immer das neueste Wissen aus der Entwicklung rund um die Sicherheitsnormen in die Anwendungsumsetzung einfließt. CARA kann von den Mitarbeitern am Fraunhofer IPA selbst für Consulting-Tätigkeiten genutzt werden, sodass sie eine vereinfachte und systematische Beratung für Unternehmen anbieten können. Zudem ist CARA als Lizenz verfügbar, wenn beispielsweise Systemintegratoren oder Roboternutzer es selbst einsetzen möchten. Safety first – jetzt deutlich vereinfacht!