Im Gegensatz zu vielen anderen Produktionsschritten ist die Montage noch ein weitgehend manueller Vorgang. Gründe hierfür gibt es einige. Oft sind die verfügbaren Automatisierungslösungen nicht flexibel genug. Sie einzurichten oder umzurüsten, ist aufwendig, was in Zeiten einer zunehmend personalisierten Produktion nachteilig ist. Und schließlich sind die Fügeprozesse selbst mitunter herausfordernd. Das liegt an biegeschlaffen Bauteilen, an großen Bereitstellungs- oder Teiletoleranzen, sehr hohen Anforderungen an die Prozessgenauigkeit oder an komplexen Fügestrategien.
Denn das Spektrum an Tätigkeiten rund um die Montage ist groß. Man denke an das Schrauben, Nieten, Klipsen, Stecken, Kleben, Klammern, Nageln und vieles mehr. Für alles ist eine spezielle Handhabung der Werkstücke erforderlich sowie die Kombination aus korrekter Bewegungsausführung und Kraftanwendung – was der Mensch oft intuitiv oder dank Erfahrung richtigmacht, ist für den Roboter anspruchsvoll.
Trotz dieser Herausforderungen ist die Nachfrage nach mehr Automatisierung in der Montage groß. Fachkräftemangel, die Monotonie mancher Aufgaben, die erforderliche gleichbleibende Qualität und wirtschaftliche Aspekte in einem Hochlohnland wie Deutschland sind hier maßgebliche Treiber. Diese Marktbedarfe adressiert das Fraunhofer IPA mit seinen Beratungs- und Entwicklungsdienstleistungen rund um die robotergestützte Montage. Das Angebot dreht sich dabei im wortwörtlichen Sinne im Kreis und deckt den ganzen Produktlebenszyklus ab.
Automatisierungsfreundliches Produktdesign
Dementsprechend startet es schon beim Produktdesign. Denn oft erlebt das Montageteam, dass Bauteile für eine automatisierte Montage ungünstig designt sind. Das erschwert den Robotereinsatz technisch oder kann ihn unwirtschaftlich machen. Ein solches ungünstiges Design erkennen die Expertinnen und Experten oft bei einer Begehung der Produktion, bei der sie eine Automatisierungs-Potenzialanalyse durchführen. Diese haben in der Vergangenheit übrigens bereits mehr als 500 Unternehmen eingesetzt! Kommt die APA zum Ergebnis, dass der Prozess nur mit viel Aufwand oder unter den gegebenen Kriterien gar nicht sinnvoll automatisierbar ist, lässt sich dies mitunter dank des »Design for Automation« (DfA) ändern.
Hierfür steht ein Fragenkatalog bereit, anhand dessen sich bestimmen lässt, wie »automatisierungsfreundlich« ein Produkt ist und was geändert werden müsste. Die Fragen beschäftigen sich beispielsweise mit der Modularität einer Produktstruktur, mit der Verwendung von standardisierten Komponenten oder der Anzahl der Bauteile.
Software pitasc unterstützt Variantenvielfalt
Kommt die APA hingegen zu dem Ergebnis, dass die Montage mit Robotern sinnvoll wäre, kommen verschiedene Software- und Hardwareentwicklungen des Fraunhofer IPA ins Spiel, die den Robotereinsatz deutlich vereinfachen können. Das Vorgehen hierfür reicht von der Aufnahme von Prozess- und Prorduktanforderungen über Werkzeug- und Vorrichtungsbau bis hin zur Roboterprogrammierung und Herstellung einer Kleinserie im Labormaßstab.
Die Roboterprogrammierung wird mithilfe der Software »pitasc« umgesetzt, die insbesondere Anwendungen mit hoher Variantenvielfalt adressiert. Denn mit pitasc ist es nicht mehr erforderlich, eine Montageaufgabe Schritt für Schritt zu programmieren. Stattdessen erfolgt eine strukturierte und modulare Programmierung in Relation zum Werkstück. Grundlage hierfür sind Daten von einem Sensor, der am Roboter befestigt ist. Ein weiterer Vorteil dieser Programmierung ist, dass es bereits vordefinierte und wiederverwendbare Programmmodule gibt, die sich auch einfach an neue Varianten anpassen lassen. Wechselt man also beispielsweise die Position des Roboters, die Vorrichtungen oder gar den Endeffektor, ist das gleiche Programm weiterhin nutzbar.
Künstliche Intelligenz eröffnet neue Möglichkeiten
Ein tatsächlicher Game-Changer für die Montage sind aktuell Technologien der Künstlichen Intelligenz (KI) und hier insbesondere deren Teilgebiet Maschinelles Lernen. Sie ermöglichen, Roboter schneller und mit weniger Aufwand zu programmieren, und das sogar ohne vertieftes Robotik-Fachwissen. Ein Beispiel für eine solche KI-basierte Umsetzung ist das »Imitation Learning«. Hierbei lernt der Roboter, indem er den Menschen bei der Ausführung einer Aufgabe beobachtet und diese Abläufe übernimmt. Dabei erfassen Sensoren die Bewegungen der Bauteile und die entstehenden Kontaktkräfte. So lassen sich auch aufwendige Programme realisieren, wie beispielsweise das Gleiten eines Roboters über eine Oberfläche oder komplexe Schnappverbindungen.
Eine andere KI-basierte Anwendung hat das Montageteam im Forschungsprojekt »rob-aKademI« umgesetzt. Hierbei kommt die Methode des »Reinforcement Learning«, also des Lernens aus Versuch und Irrtum ähnlich dem kindlichen Lernen, zum Einsatz. Das Lernen erfolgt zunächst in der Simulationsumgebung, damit keine Hardware blockiert oder verschlissen wird. Der Roboter erkundet darin autonom seine Umgebung, plant sein Verhalten und optimiert es dadurch selbstständig und fortlaufend.
Roboterbasierte Demontage für mehr Nachhaltigkeit
Der eingangs erwähnte niedrige Automatisierungsgrad gilt übrigens nicht nur für die Montage, sondern auch für die Demontage, also das Ende im Produktlebenszyklus. Und auch hier sprechen viele Gründe für mehr Automatisierung: Die Tätigkeiten sind monoton, mitunter gefährlich und kostspielig. Passende Automatisierungslösungen sind bisher sehr rar. Die zu demontierenden Objekte haben die unterschiedlichsten Ausmaße und Fügeverbindungen, sodass in vielen Fällen – wenn denn überhaupt Automatisierung umgesetzt ist – einfach geschreddert wird. So gehen wertvolle Rohstoffe verloren.
Um hier für Abhilfe zu sorgen, sind im Forschungsprojekt »DeMoBat« zahlreiche Werkzeuge und Technologien entstanden, die die roboterbasierte Demontage von E-Autobatterien ermöglichen. Die Lösungen reichen von einem demontagegerechten Batteriedesign über Methoden zum Testen der Kapazitäten und zur Handhabung der Batterien bis hin zu acht vollumfänglich umgesetzten Roboterwerkzeugen für eine zerstörungsfreie Demontage bis auf Zellebene.
Und auch in weiteren Projekten zeigt sich, wie Demontage-Technologien für mehr Nachhaltigkeit sorgen können, indem sie Recyclingprozesse automatisieren. Die Wiederaufarbeitung von Elektroschrott aus Privathaushalten adressiert das Projekt »Desire4Electronics«. Ziel des Projektes »ProDiREC« ist, eine nachhaltigere Nutzung der seltenen Rohstoffe in der Lithium-Ionen-Batterien-Produktion zu ermöglichen. »ReNaRe« forscht an der roboterbasierten Demontage von zukünftigen Elektrolyseuren. Die roboterbasierte Demontage nimmt also richtig Fahrt auf. In diesem Kontext bietet das Institut ab Herbst auch die Beratungsdienstleistung »Design for Disassembly« an. Ähnlich zum oben erwähnten Design for Automation geht es hier um eine Produktgestaltung, die eine automatisierte Demontage leichter möglich macht. Und aus den zerlegten Komponenten können dann neue Produkte geplant und montiert werden, und der Kreis rund um das Montageangebot des Fraunhofer IPA schließt sich.