Selektive Beschichtungstechnologien sowie funktionelle Beschichtungen wurden bereits von den Fraunhofer-Instituten IPA und IFAM vorgestellt und das Thema »Oversprayfreies Beschichten« ist in aller Munde. Mit einem aktuellen Forschungsprojekt dieser beiden Institute soll nun aber eine ganz andere Anwendung dieser Technologie-Kombinationen vorgestellt werden, nämlich die Erzeugung spezieller wasserabweisender Schichten durch gezielte Strukturierung der Oberfläche.
Die biologische Transformation ist ein aktueller Trend in der Produktionstechnik, bei der die Methoden der digitalen Transformation fortgesetzt und ergänzt werden. Dazu gehören die Bionik, die Bioökonomie und die Biointelligenz. Angewandt auf die Oberflächentechnik kann dies unter anderem die Erzeugung ganz neuer Oberflächen(strukturen) ermöglichen, wenn die digitale Lackierung durch Ideen aus der Biologie bereichert wird. Die digitale Lackiertechnologie erlaubt nämlich nicht nur Zweifarbigkeit oder Muster zu lackieren, sondern kann auch verschiedene Lackmaterialien gezielt zu einem gewünschten Struktur-Design (gegebenen Strukturen, z. B. mit einem Gradienten) zusammenzusetzen, im Unterschied zu selbstorganisierenden ungeordneten Schichten.
In einem Fraunhofer-internen Projekt des IPA in Stuttgart zusammen mit dem IFAM in Bremen wurde eine bestimmte Kombination aus Applikationstechnik und Lacksystem entwickelt, mit der beliebige Muster von hydrophilen und hydrophoben Strukturen (Domänen) erzeugt werden können. Eine biologische Analogie hierzu weist der Stenocara-Käfer auf, der solche Strukturen nutzt, um gezielt Wasser aus der Umgebung zu sammeln. In der technischen Anwendung nutzen die Forscher diesen Effekt, um Wasser auf der Oberfläche abzuleiten. Eine mögliche Anwendung dieser Oberflächenstrukturierung liegt im Freihalten von Sensoren an Fahrzeugen (z. B. Radome für Lidar (Verfahren zur optischen Abtastung), Radar; Exterieur-Bauteile für optische Systeme) von Feuchtigkeit und Eis. Eine weitere Anwendung wäre auch zur Freihaltung von Kondensfeuchte und Eisbildung in Kühlgeräten denkbar. Auch Übertragungen dieses Strukturprinzips auf andere funktionelle Oberflächen, wie z.B. Anti-Fingerprint-Lacke, sind denkbar.
Intelligente Kombination von Lack- und Applikationstechnologien
Zur Darstellung eines effizienten Herstellprozesses für diese Strukturen wurden durch das IFAM UV-härtende sog. 100 % - Lacksysteme mit hydrophilen (Wasserkontaktwinkel von 70°) sowie hydrophoben (Wasserkontaktwinkel von 117°) Eigenschaften entwickelt. Das hydrophile Lackmaterial basiert auf Polyether-modifiziertem Acrylat-Bindemittel, das hydrophobe Material ist aus einem Urethanacrylat-Bindemittel, additiviert mit silikonbasierten Komponenten aufgebaut. Die Verwendung der UV-härtenden Lacksysteme ermöglicht nicht nur kurze Prozessketten, sondern auch sehr ressourcen-effiziente Prozesse, da aufgrund der Applikationstechnik kein Lackverlust und auch aufgrund der Lösemittelfreiheit 100% des aufgetragenen Lackmaterials auf dem Bauteil verbleibt.
Die Idee zur Realisierung einer wasserableitenden Oberflächenstruktur besteht nun darin, ein Strukturmuster aus hydrophilem und hydrophobem Material so zu gestalten, dass ein Wassertropfen sich ohne weiteren Antrieb immer weiter zu den hydrophilen Bereichen bewegt. Damit bleibt die Oberfläche dann trocken und es kann sich auch kein Eis ansammeln.
Applikationstechnisch realisiert wurde diese Oberflächenstruktur mit dem Aufbau eines Mehrfachapplikators. Dieser wurde mit einer UV-Durchlaufanlage mit Quecksilberstrahlern kombiniert, um die Lacke nach definierter Zeit zu härten bzw. zu vernetzen. Durch Variation der Gradienten von hydrophoben Punkten auf hydrophilem Untergrund wurden verschiedene Struktur-Designs erzeugt. An diesen Beispielen konnte gezeigt werden, dass ein auftreffender Wassertropfen tatsächlich von alleine sich in die richtige Richtung, also von hydrophoben zu hydrophilen Domänen bewegt.
So konnte in dem Fraunhofer-Projekt gezeigt werden, dass durch intelligente (geschickte) Anpassung von Lackmaterial und Applikationstechnik neue funktionelle Oberflächen in einem hochautomatisierten Prozess herstellbar sind. Auf der Basis dieses Verfahrens dürften sich in der Zukunft für die Gestaltung von intelligenten Oberflächen – ähnlich wie die Natur es vormacht - noch weitere Ideen verwirklichen lassen.