Ziel des Projekts mit der Firma WILHELM BAHMÜLLER Maschinenbau Präzisionswerkzeuge GmbH war die Konzeption und Entwicklung einer neuen Generation der End-of-Line Automation (EOL-A) hinsichtlich frugaler Kriterien. Bei der neuen Maschine konnten bei gleicher Funktionalität unter anderem die Herstellkosten, Montagezeiten, Teilevarianz und das Gewicht reduziert werden.
Die Firma BAHMÜLLER wurde vor über 75 Jahren gegründet und ist ein lokal produzierendes Familienunternehmen mit knapp 400 Mitarbeitenden. Alle Maschinenbaureihen ermöglichen eine spezielle Anpassung der Maschinen an individuelle Kundenwünsche. Diese Vielfalt stellte eine große Herausforderung für die nur sehr begrenzt verfügbaren Unternehmensressourcen dar. Eine neue Baureihe bedeutete für das mittelständische Unternehmen eine quantitative und qualitative Unsicherheit in einem volatilen Markt, zudem einen hohen Investitions- und Pflegeaufwand. Aus diesen Gründen war die Entwicklung einer frugalen Maschine in Form einer Neukonstruktion und damit einer neuen Baureihe nicht möglich. Zielsetzung des Unternehmens war schlussfolgernd, die gezielte Weiterentwicklung einer bestehenden EOL-A hin zu einer neuen wirtschaftlichen frugalen Maschinengeneration.
Das Unternehmen ist schon immer kostengetrieben, da der weltweite Wettbewerb stark ist. Der Begriff der frugalen Innovation ist nicht in der Unternehmensstrategie verankert, man spricht von der Simplifizierung der Maschine. Bei einzelnen Mitarbeitenden und Teams ist die Denkweise „frugal“ jedoch vorhanden, da die Kosten dort einen höheren Stellenwert in der Entwicklung haben als in anderen Projekten. Frugal wird als „Outside-the-Box-Denken“ und mit der Leitfrage „Geht’s besser oder anders?“ gelebt.
Das Entwicklungsprojekt „Frugale Maschine“ wurde im Unternehmen prozessual eingebettet und fand mit dem bestehenden Entwicklungsteam als Kerneinheit statt. Zusätzlich fand eine starke Einbindung der Elektro- und Software-Abteilungen sowie die enge Abstimmung mit der Beschaffung für einen Forecast statt. Auch der Vertrieb wurde frühzeitig eingebunden, um die Entwicklungsziele zu verstehen und das neue Produkt mit seinen USPs bewerben zu können. Unterstützt wurde das Unternehmen durch Mitarbeitende des Fraunhofer IPA. Neue Teammitglieder wurden intern geschult, um neue, günstigere Lösungen zu finden. „Es gehört Mut dazu. Man schläft dann auch mal schlecht und hofft, das Konstruierte funktioniert“, berichtete der Entwicklungsleiter. Daher wurde das Frugale Denken im Unternehmen vielmehr erlernt anstatt vorgeschrieben. Ein großer Bestandteil des Projekts war es daher, dass die Mitarbeitenden selbst Erfahrungen sammeln, auch aus Fehlern.
Erster wichtiger Bestandteil im Projekt „Frugale Maschine“ war die Erfassung des Ist-Stands im Unternehmen, damit neue kundenseitige Anforderungen nicht nur zusätzlich zur bestehenden Lösung hinzugefügt wurden. Daher wurden zunächst bestehende Maschinen analysiert und Kostentreiber identifiziert. Hieraus wurden wiederrum zahlreiche Potenziale identifiziert und Maßnahmen abgeleitet. Ergänzt wurde der Prozess mit der Identifikation des Hauptanliegens des Kunden und der daraus resultierenden Hauptfunktionen der Maschine. Mit diesem Fokus wurde dann von innen nach außen entwickelt. Wichtig für die Erreichung der Ziele war hierbei ein strukturiertes und systematisches Vorgehen. Hierzu fanden regelmäßige Status-Update-Meetings im kleinen Entwicklungsteam und im erweiterten Kreis mit anderen Bereichen und Abteilungen statt.
Für die „Frugale Maschine“ wurde ein neuer Baukasten aufgesetzt, um eine Vereinheitlichung bestehender Lösungen zu erzielen. Dadurch konnten Gleichteile erhöht und Kosten reduziert werden. Zudem wurde durch Optionspakete eine stufenweise flexible Leistungssteigerung ermöglicht. Bei der Umsetzung wurden sowohl bestehende Komponenten verwendet als auch neue Komponenten entwickelt. Die Funktionen sind zum größten Teil gleich, doch konnten zwei Drittel dieser mit anderen Technologien umgesetzt werden. Die wichtigsten Produktziele waren: Kostenvorteile, Reparierbarkeit und Wartungsfreundlichkeit, Robustheit und Lebensdauer sowie die Einfachheit. Die Zielerreichung wurde in Form von Anzahl reduzierter Teile- und Kostenreduktion des Prototyps überprüft. Am Modul Drehstern (Demonstrator am Fraunhofer IPA, siehe Abbildung unten) konnten beispielsweise 52 Prozent Gewicht, 23 Prozent der Einzelteile und 38 Prozent Herstellkosten eingespart werden. Dazu beigetragen haben unter anderem im Bereich der Beschaffung auch neue bzw. andere Lieferanten. Ein Lieferantenvergleich wurde in diesem Kontext durchgeführt. Zudem konnte eine Taktmontage eingeführt werden und bei der Inbetriebnahme erfolgten Teilabnahmen mit standardisiertem Softwarestand.
Gesamtheitlich betrachtet konnte durch das Projekt ein großer Schritt in Richtung „ideale“ frugale Maschine erreicht werden. Im Vergleich zur bestehenden Referenzmaschine konnten die Leistungsfähigkeit gesteigert und die Herstellkosten gesenkt werden. Die neue frugale Generation der End-of-Line Automation wurde 2020 erfolgreich am Markt platziert.
»Es gehört Mut dazu. Man schläft dann auch mal schlecht und hofft, das Konstruierte funktioniert.«
Uwe Kietzmann, Teamleiter Entwicklung der Firma WILHELM BAHMÜLLER Maschinenbau Präzisionswerkzeuge GmbH