Produktionsnetzwerke der Zulieferindustrie optimal managen
Immer mehr Automobilzulieferer verlagern ihre Produktionsstandorte in Entwicklungsländer. Hiervon erhoffen sie sich sinkende Herstellungskosten und höhere Marktanteile. Jedoch bleiben die gewünschten Erfolge oft aus, weil Unternehmen nicht bedenken, dass die Verlagerung der Produktion eine gesteigerte Komplexität mit sich bringt. Um Unternehmen eine Richtschnur zu geben, unter welchen Voraussetzungen die Produktionsverlagerung wirklich Sinn macht, hat das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA gemeinsam mit der Boston Consulting Group (BCG) eine Studie zum Thema »Produktionsnetzwerke in der Automobilzuliefererindustrie« erstellt.
Aufgrund des anhaltenden hohen Kostendrucks in der Automobilindustrie und der von den OEM (Original Equipment Manufacturer) geforderten Standortnähe, verlagern immer mehr Zulieferer ihre Produktionen ins Ausland. »Einerseits sind die Firmen durch die jährlichen Kostenziele gezwungen, immer günstigere Angebote zu unterbreiten. Andererseits verschieben die OEM ihre Produktionskapazitäten in Richtung ihrer Absatzmärkte und fordern im gleichen Zuge auch ihre Lieferanten dazu auf, eine räumliche Nähe der Fabriken zu gewährleisten«, erläutert Prof. Thomas Bauernhansl, Leiter des Fraunhofer IPA und einer der Herausgeber der Studie. Jedoch treten gerade Kosteneinsparungen in global konfigurierten Netzwerken bei vielen Zulieferern nicht ein. Dafür gibt es zahlreiche Gründe. »Unternehmen haben Schwierigkeiten, qualifizierte Mitarbeiter zu rekrutieren und am neuen Standort fachliches Know-how nachhaltig aufzubauen. Hinzu kommt, dass die Nähe zum OEM die Lieferanten in vielen Fällen daran hindert, die Kostenpotenziale ihres eigenen Netzwerks optimal zu nutzen«, so Prof. Bauernhansl. Ferner sei eine erhöhte Komplexität zu verzeichnen, da durch eine global verteilte Produktion im Durchschnitt auch die Menge der netzwerkinternen Lieferungen steigt, fügt der Experte hinzu.
Durch Standortwechsel fallen 35 000 Arbeitsplätze weg
Um Unternehmen für die Herausforderungen des Standortwechsels zu sensibilisieren, hat das Fraunhofer IPA gemeinsam mit der BCG die Studie »Produktionsnetzwerke in der Automobilzuliefererindustrie« durchgeführt. Dazu haben das Fraunhofer IPA und die BCG einen Fragebogen entwickelt, der von über 40 Automobilzulieferern aus Japan, Korea, Amerika und Europa ausgefüllt wurde. Anschließend folgten Tiefeninterviews mit Geschäftsführern oder Geschäftsfeldleitern, in denen die Experten Detailfragen stellten. Die Auswertung der erhobenen Daten ergab unter anderem, dass sich der Standortwechsel vor allem in der Personalstruktur der Firmen bemerkbar macht. »Allein in Deutschland würden durch die zu erwartende Produktionsverlagerung der Zulieferer 35 000 Jobs wegfallen, beziehungsweise umgesiedelt werden«, informiert Prof. Bauernhansl.
Produktionsverlagerung muss geplant werden
Die Studie des Fraunhofer IPA und der BCG macht Automobilzulieferern deutlich, welche Fragen sie sich bei einem Standortwechsel stellen sollten. »Wichtig ist vor allem, dass Firmen die Produktionsverlagerung in einem durchgehenden Prozess planen und ihre Entscheidung unabhängig von den OEM treffen«, resümiert Prof. Bauernhansl. Außerdem gelte es, zukünftige Trends wie autonomes Fahren, Personalisierung oder Digitalisierung und deren Auswirkungen auf die Wertschöpfungskette zu berücksichtigen, meint der IPA-Institutsleiter.