Mit Ultraschall Papier schneiden
Exaktere Schnittkanten, geringere Schneidkräfte und damit eine höhere Werkzeugstandzeit: ultraschallunterstütztes Zuschneiden von Falzbögen macht diese Ziele möglich. Zu diesem vorläufigen Ergebnis kam ein Kooperationsprojekt, das das Fraunhofer IPA gemeinsam mit der Firma bielomatik GmbH durchführte. Ein Folgeprojekt soll die Industrietauglichkeit der Innovation nachweisen. Dafür suchen die Wissenschaftler noch ein interessiertes Unternehmen.
Verfahren zum Schneiden gesammelter Blattstapel sind technologisch sehr weit ausgereift. Qualitätsmängel treten aber immer noch beim Trennen gebundener Lagen, die mit einem Umschlag versehen sind, auf. Insbesondere beim ersten Eintauchen der Schneide in die gebundene Lage wirken kurzzeitig sehr große Kräfte auf die Schneide und das Papier. Die Folge: drängt das Papier die Schneide beim Schnitt zur Seite oder nach vorne, sind die unteren Papierlagen kürzer bzw. länger als die oberen. Es kommt zum Unter- bzw. Überschnitt. Umgekehrt kann das Papier durch die Schneide vor dem Eindringen deformiert werden. Die oberen Bögen werden nach unten gebogen und springen nach dem Schneiden vor. Sie fallen beim sogenannten Pilzschnitt dann länger aus. In der Praxis überlagern sich diese Schneidfehler häufig. Einen vielversprechenden Lösungsansatzbietet bei Schneidprozessen von mehrlagigen Papierschichten die Anwendung von Ultraschalltechnologien. Mit Ultraschall in Schwingung versetzte Messer schneiden mit geringeren Kräften, weshalb sie deutlich schlanker ausfallen und damit weniger Verdrängung bewirken. In einem Kooperationsprojekt im Rahmen der »AiF Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen ›Otto von Guericke‹ e.V.« hat das Fraunhofer IPA gemeinsam mit der Firma bielomatik GmbH aus Neuffen Ultraschalltechnologie genutzt, um die Basis für ein kontinuierliches Schneidverfahren zu entwickeln.
Einsatz von ultraschallunterstütztem Schneiden
»Eine detaillierte Analyse der existierenden Systeme des ultraschallunterstützten Schneidens von verschiedenen anderen Materialien bestätigte die Innovation in Bezug auf die Papierbranche«, so Frank Eicher aus der Abteilung Bild- und Signalverarbeitung am Fraunhofer IPA. Bisherige Anwendungen mit dem Einsatz von Ultraschallschwingungen werden überwiegend im Bereich der spanenden Bearbeitung eingesetzt. Auch hier mit dem Hauptziel, Reibkräfte und Verschleißerscheinungen zu minimieren. Ähnliche Schneidverfahren sind in erster Linie in der Lebensmittelindustrie zu finden. Hier jedoch ausschließlich dazu, um ein Anhaften von Lebensmittelresten am Messer zu verhindern. Schneidkräfte spielen keine wesentliche Rolle.
»Das zugrundliegende Prinzip beim Schneiden mit ultraschallangeregten Werkzeugen beruht auf der Erzeugung hochfrequenter elektrischer Wechselspannungen und deren Umwandlung in mechanische Schwingungen durch sogenannte Energiewandler, die nach dem reziproken piezoelektrischen Prinzip arbeiten«, erklärt der Wissenschaftler. Ultraschallsysteme zur Bearbeitung werden in Resonanz betrieben, was eine sehr präzise Abstimmung des Ultraschallgenerators auf das angeschlossene Schwingungssystem erfordert. Dieses besteht aus einem Schallwandler, auch Konverter genannt, und dem Schneidwerkzeug, das durch Einleiten des Ultraschalls in Resonanzschwingung versetzt wird. Insbesondere an das Schwingungsverhalten dieser sogenannten Schneidsonotrode werden höchste Ansprüche gestellt. Mit modernster Regelungstechnik können heutzutage Werkzeuge mit Ultraschallschwingungen so angeregt werden, dass diese kontrolliert und nutzbringend in ihrer Eigenfrequenz schwingen.
Erste Versuchsanlage
Eine Versuchsanlage wurde konzipiert und das auf den Anwendungsfall ausgelegte Schwingsystem in diese integriert. Eine leichte Schrägstellung der Papierlagen simulierte einen sogenannten Scherschnitt. Dabei gestalteten die Projektpartner den Aufbau der Anlage so, dass ein Schneiden mit bzw. ohne Ultraschallunterstützung möglich war. Dies vereinfachte den direkten Vergleich der Schnittkräfte. »Durch den Einsatz von Ultraschall ließen sich die Prozesskräfte um bis zu 50 Prozent während des Schneidvorgangs verringern, was zu einer Reduktion der Materialbelastung im Schnittbereich führte«, resümierte Frank Eicher. Das heißt die Belastung auf das Schneidmesser bzw. -sonotrode wird verringert und die Standzeiten erhöht. Außerdem vermindern die niedrigeren Prozesskräfte den Aufwand zur Fixierung des Schneidguts entscheidend. Das alles wirke sich positiv auf die Schnittqualität, aber auch auf die Betriebskosten aus. In einem nächsten Schritt soll der Versuchsaufbau auf ein reines Ultraschallschneidsystem optimiert werden, um das volle Potenzial des Ultraschalls auszunutzen. Genau hier möchte der Ingenieur im Rahmen eines weiteren geförderten Projekts gemeinsam mit interessierten Unternehmen ansetzen. Was das Potenzial des Ultraschallverfahrens angeht, ist Frank Eicher optimistisch: »Der Einsatz von Ultraschall zur Erhöhung der Kantenqualität und Werkzeugstandzeit beim Nutzenschneiden von Papierlagen ist ein Alleinstellungsmerkmal. Er kann einem Unternehmen die Technologieführerschaft in der Schnittkantenqualität bringen.«