Natur hilft Technik
Fraunhofer hat mit BIOTRAIN die erste breit angelegte Voruntersuchung zur biologischen Transformation der industriellen Wertschöpfung vorgelegt.
Die digitale Transformation der Produktion ist unter dem Schlagwort Industrie 4.0 bereits weit fortgeschritten. Das biologische Pendant steht dagegen noch ganz am Anfang. Doch wer nachhaltig produzieren will, kommt nicht um das Vorbild der Natur herum. Denn bei ihr gibt es keine Abfälle, jeder tote Organismus ist ein Baustein für neues Leben. Aber wie lässt sich diese Blaupause in die industrielle Wertschöpfung integrieren? Dieser Frage sind mehrere Fraunhofer-Institute in einer umfangreichen Studie nachgegangen, die durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wurde. Dabei geht es um ein breites Spektrum an Themen: Welche biologischen Ansätze sind sinnvoll? Wo gibt es Forschungsbedarf, wo sind Widerstände zu überwinden? Wie wird die neue Produktionsweise die Gesellschaft verändern?
Dass die Biologie für die Industrie immer wichtiger wird, darin sind sich die Experten einig. Bei einer Umfrage im Rahmen der Voruntersuchung äußerten sich die meisten der über hundert Fachleute davon überzeugt, dass die Verbreitung biotechnischer Systeme in der industriellen Wertschöpfung stark zunehmen werde. Allerdings gibt es erhebliche Hemmnisse. Vor allem mangelt es in Deutschland am Kapital- und Ressourcenzugang. Während in den USA für Bio-Startups Milliarden an Risikokapital zur Verfügung stehen, müssen deutsche Unternehmen um jeden Euro feilschen. Wie die biologische Transformation konkret aussehen könnte, zeigen die Pharma- und die Chemiebranche, die als Vorreiter gelten. Zum Beispiel wird Vitamin B2 inzwischen in einem einstufigen Fermentationsprozess hergestellt anstatt, wie früher, mit einer achtstufigen Synthese.
Die Autoren der Voruntersuchung fassen den Begriff der biologischen Transformation weit. Dazu gehören Mensch-Maschinen-Schnittstellen und der Einsatz von Exoskeletten in der Fabrik. Auch die Bionik, also die Inspiration durch natürliche Phänomene, ist Teil der grünen Transformation, etwa der Nachbau des Lotuseffekts oder ein Robotergreifarm, der einem Elefantenrüssel nachempfunden ist. Daneben können klug designte Mikroorganismen vielfältige Aufgaben übernehmen, die bislang nur mit aufwendigen chemischen Prozessen zu lösen waren, etwa Metalle aus Mahlgut extrahieren oder Biokunststoff aus Abgasen gewinnen. Ziel der biologischen Transformation ist letztlich das »biointelligente System«, das regenerativ, kostengünstig und hochflexibel arbeitet. Um das zu erreichen, müssen Wissenschaftler zahlreiche Vorhaben anpacken. Sonst könnte Deutschland im internationalen Vergleich ins Hintertreffen geraten. »Wir haben etwa 200 Forschungsthemen und 150 Gestaltungsthemen identifiziert«, sagt IPA-Gruppenleiter Dr. Robert Miehe, ein Mitarbeiter der Voruntersuchung. Zu den Gestaltungsplänen gehören etwa die Integration der grünen Technologie in Bildungspläne oder die Einrichtung von Plattformen für den gesellschaftlichen Dialog. Die Voruntersuchung wurde am 27. Juni im Rahmen der Konferenz »Biointelligenz - Eine neue Perspektive für nachhaltige Wertschöpfung« im Fraunhofer-Forum in Berlin vorgestellt.